(von Kerem A. & Kerstin L.)
Ist es nicht so, dass uns das Leben oft irgendwie bekannt erscheint, dass wir das Gefühl haben immer am gleichen Punkt geblieben zu sein und wir uns immer wieder über die gleichen Dinge aufregen?
Ist es nicht so, dass sich die gleichen Gedanken, Gefühle, Leiden, Schmerzen und Unannehmlichkeiten tagein tagaus wie ein roter Faden durch unser Leben zeichnen?
Ist es nicht so?
Der Grund, wieso manche Menschen mit sich selbst schneller klar kommen als andere, liegt nicht darin begründet, dass sie mehr Geld hätten, stärker wären oder psychisch gesehen eine hohe Ausdauer besäßen, sondern dass sie eine gute Selbstkenntnis besitzen und ihre Verhaltensweisen schnell und nachhaltig ändern können. Verhaltensweisen sind jedoch oberflächlicher Natur, sie wirken nach außen hin. Wir alle wissen nur zu gut, dass die Veränderung an der Oberfläche, also an den altbekannten und vertrauten Gewohnheiten, kaum wirklich klappt. Wir fallen zurück in alte Verhaltensmuster. Eine nachhaltige Änderung geschieht deshalb immer innen. Die innere Haltung, das eigene Weltbild, die Erinnerungen und die Gedanken sind entscheidende Träger und Förderer dieser Verhaltensweisen. Dies zu verstehen und zu akzeptieren wird den ersten Schritt darstellen, sich geistig selbst ins Gesicht zu blicken. Der erste Schritt einer langen und oft schwierigen und schmerzhaften Reise.
Im Spiegel des Wassers erkennt man sein Gesicht, und im Spiegel seiner Gedanken erkennt der Mensch sich selbst. – Sprüche 27:19
Die Augen zu öffnen. Was bedeutet dieses Bild? Die meisten von uns kennen die Worte der Bibel, dass wir uns nicht um den Splitter im Auge des Bruders kümmern sollten, während wir den Balken im eigenen nicht erkennen. Wie wichtig und tiefgründig dieser Satz wahrhaftig ist! Den Balken entfernen um die eigenen Augen zu öffnen. Denn mit offenen Augen machen wir viel seltener den Fehler, die eigenen Gedanken auf andere zu überstülpen. Wer außer ich selbst ist dafür verantwortlich, wie ich meine Umwelt und meine Mitmenschen verstehe? Es wird früher oder später so sein, dass mir das Bild, das ich mir von anderen gemacht habe, nicht gefällt. Ein gezeichnetes Bild, das uns nicht gefällt, können wir wegwerfen oder verändern. Mit unseren Mitmenschen geht das natürlich nicht! Verändern können wir aber das Bild, unsere eigenen Gedanken. Hierin liegt ein sehr großes Potential. Und auch nur hier können wir die gewünschte nachhaltige, innere Haltungsänderung bewirken. Es geht nicht darum, das verzerrte Bild durch ein „rosa“ Bild zu ersetzen, damit es dem Positivismus zuliebe ein gutes Gefühl erzeugt. Wenn wir uns beim Verändern der Gedanken nicht selbst überzeugen können, werden wir früher oder später diesen Selbstbetrug aufdecken.
Negative Erfahrungen werden wir wohl oder übel immer erleben können. Durch das Verändern der inneren Haltung können aber negative Erfahrungen in etwas Positives verwandelt werden. Dabei geht es hier nicht nur darum, das halb leere Glas einfach als halb voll zu betrachten. Es geht darum, vom Gedanken der Fülle zu einem noch nicht beachteten Gedanken zu kommen.
Glücklich ist der, der sich bei Sonnenuntergang über die Sterne freuen kann. – Ludwig Adalbert Balling
Frühere Erfahrungen loszulassen fällt uns schwer und häufig erkennen wir diese Erfahrungen oft nicht einmal, weil der Balken so tief sitzt. Der Balken ist im Konkreten oft eine „Umdeutung der Umstände“. Wir interpretieren und deuten das Gesehene und Erlebte so um, dass es uns angenehm oder gewohnt ist. Deshalb haben wir anfängliche Berührungsängste mit dem Fremden, Unbekannten – da wir es noch nirgends einordnen können.
Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du. – Bibel
Wenn ich andere verurteile oder schlecht über andere denke, trage ich negative Gedanken in mir und schade damit nicht zuletzt auch mir selbst. Es ist wie schlechte Nahrung, die man zu sich nimmt und die uns von innen her schadet oder vergiftet. So ist es auch mit den Gedanken. Unsere Augen sehen häufig die negativen Seiten eines „irgendwie unliebsamen“ Menschen. Der erste Eindruck ist hier meist so bestimmend, dass die positiven Seiten eines Menschen dann öfters darunter verloren gehen. Sich auf einen Menschen im Voraus bewusst positiv einzustellen kann hier schon Wunder bewirken!
Die Frage ist: wie kann ich mich wirkungsvoll von früheren Erfahrungen lösen und somit mein kindlich-reines Vertrauen ungehindert entfalten?
Die Antwort ist simpel, aber ungleich schwerer in der Umsetzung: Sich selbst zu beobachten und sich zu fragen, wieso man sich so verhalten hat. Die nächste Frage wäre dann, welches Verhalten der eigenen Meinung nach besser wäre für das eigene Wohlbefinden und für das Wohl der Anderen. Welcher Weg ist der nachhaltigere? Bin ich besser dran, wenn ich ein gewisses Problem einfach ignoriere? Oder wird sich vieles in mir lösen und mir innere Freiheit gewähren, wenn ich es angehe – selbst wenn ich Gefahr laufe, mich dabei nicht immer wohl zu fühlen? Oder gar Teile meiner Selbst aufgeben zu müssen?
Ein Schiff, das im Hafen liegt, ist sicher.
Aber dafür sind Schiffe nicht gebaut. – William Shed
Es ist eine unserer Eigenarten, die Gefühle und das Innenleben eines Mitmenschen relativ gut spiegeln zu können. Diese Fähigkeit ist ein Mittel, um das Überleben zu sichern. Menschen verändern kann man sehr effektiv durch positives Vorleben. Freunde wie auch hervorragende Führungspersönlichkeiten verlangen von ihren Mitmenschen nichts, was sie selber nicht leben. Strahlende Persönlichkeiten in unserer nächsten Umgebung wirken auf uns ein und ziehen uns gewissermaßen in ihren Bann. Das sind dann meistens auch diejenigen, die sich selber gut im Griff haben und das vorleben, was sie von anderen erwarten. Dadurch, dass die Menschen in ihrer Umgebung sie spiegeln, bewirken sie eine Änderung in ihnen.
In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst. – Aurelius Augustinus
Einen guten, rücksichtsvollen Freund oder Partner zu haben, der einen auf die eigenen Fehler aufmerksam macht und zeigt, wo wir uns noch verschließen, ist einer der besten Wege, sich selbst zu verbessern. Wie sehr wir uns aber selber im Weg stehen, dürfen wir niemals vergessen. Ansonsten gehen viele Möglichkeiten und Wege verloren und wir wissen nicht, wo wir den Balken zerkleinern könnten.
Der Krieger liest diese Zeichen bei vielen Männern und Frauen, die er kennt. Er lässt sich nicht vom Schein täuschen und schweigt lieber, wenn man versucht, ihn zu beeindrucken. Doch er ergreift die erstbeste Gelegenheit, um seine eigenen Fehler zu korrigieren, denn die anderen sind stets ein guter Spiegel unserer selbst. Ein Krieger nutzt alle Gelegenheiten, sein eigener Meister zu werden. – Aus ‚Krieger des Lichts‘ von P. Coelho
Möge Gott unsere Brust weiten und uns dabei helfen, die Augen zu öffnen!
… Gewiss, Gott ändert die Lage eines Volkes nicht, ehe sie nicht selbst das ändern, was in ihren Herzen ist. … – Koran, Kapitel 13 Vers 11