Das Ganze sehen

Seht ihr den Mond dort stehen
Er ist nur halb zu sehen
Und ist doch rund und schön
So sind wohl manche Sachen
Die wir getrost verlachen
Weil unsere Augen sie nicht seh’n

Dies ist der 3. Vers des schönen Abendliedes „Der Mond ist aufgegangen“ von Matthias Claudius

In diesem Vers wird etwas sehr wichtiges angesprochen. Wenn nicht gerade Vollmond ist, ist nicht der ganze Mond zu sehen und trotzdem ist er da, ist genauso rund und schön, wie bei Vollmond. Nur wir können es momentan nicht sehen. Wir sehen nur einen Teil. Und trotzdem ist dieser nicht sichtbare Teil auch vorhanden.

Genauso im Alltag: Über vieles – oder auch viele – spotten oder lachen wir, da wir häufig nur einen Teil sehen oder kennen und nicht das Ganze oder die ganze Person. Vieles ist für unsere Augen nicht sichtbar und ist doch da, wir sehen oder wissen es nur nicht. Wie oft urteilen wir zum Beispiel negativ über einen Menschen. Wir kennen aber meistens nicht die ganze Person, ein Teil bleibt für uns häufig unsichtbar. Dieser Teil ist aber trotzdem da und gehört auch zu diesem Menschen und wenn wir diesen Menschen näher kennenlernen und dann vielleicht auch die auf den ersten Blick nicht sichtbaren Seiten entdecken, dann erscheint er/sie uns dann vielleicht in einem andern Licht und wunderschön – so wie der Vollmond.

Wir sollten also versuchen immer das Ganze zu erkennen. Auch wenn es nicht immer sichtbar ist, so lässt es sich doch oft erahnen, wenn wir versuchen genau hinzuschauen. Sich auf eine Sache oder einen Menschen ganz einlassen und versuchen auch das zu entdecken, das gerade nicht sichtbar ist.
Dazu brauchen wir nicht nur offene Augen, sondern vor allem auch ein offenes Herz.

Gute Vorsätze

Das Jahr neigt sich dem Ende zu und heute ist Silvester. Dies ist eine Zeit, in der sich viele Menschen Vorsätze fassen, um diese im nächsten Jahr in die Tat umzusetzen. Leider ist dies oftmals die einzige Zeit des Jahres, in der man auf diese Idee kommt und bereits am Silvesterabend hat sich vieles in Luft aufgelöst. Es könnte und sollte also besser zu machen sein.

Natürlich ist es dem Menschen dienlich, Veränderungen an bestimmten markanten Eckpunkten festzumachen, doch je weiter diese Punkte in die Vergangenheit verschwinden, desto ferner sind die angestrebten positiven Veränderungen. Doch eigentlich besteht unser Leben fast nur aus diesen markanten Punkten, wir übersehen sie nur gerne. Jedes Ereignis, sei es positiv oder negativ zu bewerten stellt solch einen Wendepunkt im Leben eines Menschen dar:

Sure 7 Vers 168: „Und Wir haben sie auf Erden in Gemeinschaften zerteilt. Unter ihnen sind Rechtschaffene, und unter ihnen gibt es welche, die nicht so sind. Und Wir prüften sie durch Gutes und durch Böses, auf daß sie sich bekehren mögen.“ (Rasul)

وقطعنهم فى الارض امما منهم الصلحون ومنهم دون ذلك وبلونهم بالحسنت والسيات لعلهم يرجعون

Anstatt also immer lange zu warten, bis mal wieder Ramadan, Silvester oder sonst ein größeres Ereignis stattfindet, sollten wir lieber jeden Tag aufs neue unser Leben reflektieren und versuchen es am nächsten Tag besser zu machen, denn für Gott ist jede unserer Entscheidungen ein Ereignis von Bedeutung, denn diese Entscheidung wirkt sich auf unser weiteres Leben aus.

Oder glauben sie, dass ihr Krebsrisiko sinkt, wenn sie Monate warten, bis sie mit dem Rauchen aufhören? Der Grund für das Verschieben in die Zukunft ist, dass der Mensch schwach ist und es bequemer ist, nichts zu tun. Dieser zugleich häufigste Vorsatz für das neue Jahr beschreibt sehr deutlich die Bedeutung unserer Entscheidungen. Wieso also warten? Wieso nicht sofort sein Leben zum Guten wenden?

Sure 4 Vers 28: „Allah will eure Bürde erleichtern; denn der Mensch ist schwach erschaffen.“ (Rasul)

يريد الله ان يخفف عنكم وخلق الانسن ضعيفا

Es gilt also, diese Schwäche zu überwinden, die tägliche Lethargie zu durchbrechen und sich aufzuraffen und sein Leben zu ändern. Jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde haben wir die Möglichkeit dazu, auch wenn es uns schwer fällt. Sinnvoll ist es, dabei in kleinen Schritten zu denken und nicht zu versuchen, von jetzt auf gleich alles richtig zu machen. Gott will es uns leicht machen und das Leben ist ein Prozess. Ein erster sinnvoller Schritt wäre zum Beispiel, jeden Abend den Tag zu reflektieren und zu untersuchen, warum etwas wie gelaufen ist und was besser gewesen wäre. Nur wer sich selbst hinterfragt kann sich letztlich ändern.

In diesem Sinne ein gutes neues Jahr, möge Gott ihre Absichten segnen!

Das Öffnen der Augen

(von Kerem A. & Kerstin L.)

Ist es nicht so, dass uns das Leben oft irgendwie bekannt erscheint, dass wir das Gefühl haben immer am gleichen Punkt geblieben zu sein und wir uns immer wieder über die gleichen Dinge aufregen?
Ist es nicht so, dass sich die gleichen Gedanken, Gefühle, Leiden, Schmerzen und Unannehmlichkeiten tagein tagaus wie ein roter Faden durch unser Leben zeichnen?

Ist es nicht so? Weiterlesen

Beten bedeutet Hören

Beten ist nicht bitten. Es ist ein Sehnen der Seele. Es ist das tägliche Eingeständnis der eigenen Schwachheit. Es ist besser, in das Gebet ein Herz ohne Worte zu legen, als Worte ohne Herz.
Mahatma Gandhi

Beten ist ein Sehnen der Seele –  es ist das Sehnen nach Antworten, nach inneren Frieden und Ruhe. Im Gebet bringen wir unsere Ängste, Sorgen, Schuld und unsere ungelösten Fragen vor Gott. Dabei müssen wir nicht immer viele Worte machen. Manchmal fehlen uns auch die Worte, obwohl uns das Herz voll ist. Aber man muss auch nicht immer viel reden, Gott weiß ja was in unserm Herzen ist. Ich denke, dass das Gebet vor allem auch Hören bedeutet. Still werden und mit dem Herzen hören, bis man Gott „hört“. Ohne dieses Hören, wäre mein Gebet nur ein Monolog. Wenn wir reden können wir nicht hören. Wir müssen auch still werden und schweigen – vor allem auch innerlich – um hören zu können. Dieses innere Schweigen ist sehr wichtig, denn selbst wenn wir äußerlich still sind, so bedeutet das nicht automatisch, dass es in uns „leise“ ist. Wenn nicht auch die Gedanken zur Ruhe kommen und schweigen, dann passiert es leicht, dass man etwas überhört. Bin ich zum Beispiel in einem Gespräch nicht ganz bei der Sache und höre nicht mit ganzem Herzen zu, dann überhöre ich vieles. Meistens merkt es der Gesprächspartner dann auch und sagt vielleicht: „Du hörst mir  gar nicht richtig zu, du bist in Gedanken ja ganz woanders“. Genauso ist es beim Gebet. Die Sehnsucht nach Antworten und inneren Frieden kann nur erfüllt werden, wenn ich in jeder Hinsicht still werde und (zu-)höre.

Achtsamkeit

„Du und Ich: wir sind eins, ich kann dir nicht wehtun, ohne mich selbst zu verletzen“
Mahatma Gandhi

Mahatma Gandhi hat mit diesen Worten etwas gesagt, was uns oft nicht wirklich bewusst ist.  Alles ist Eins, wir alle sind wie in einem Netz miteinander verwoben und alles was wir tun hat Wirkung auf das Netz und somit auch wieder auf uns. Wenn ich jemanden verletze – körperlich oder mit Worten – verletze ich mit dieser Person auch einen Teil des Netzes, von welchem ich selbst auch ein Teil bin und somit verletze ich letztendlich auch mich selbst.

Genauso ist es auch mit  unserer Umwelt. Letztendlich kommt alles, was wir der Natur an Schaden zufügen, in irgendeiner Art und Weise auf uns selbst zurück. Wir sollten deshalb achtsam und respektvoll miteinander umgehen und auch mit der gesamten Schöpfung.

„Der Mensch hat das Netz des Lebens nicht gewebt, er ist nur ein Faden darin. Was immer er ihm antut, tut er sich selbst an.“
Chief Seattle

… Wenn einer jemanden tötet, jedoch nicht wegen eines Mordes oder weil er auf der Erde Unheil stiftet, so ist es, als hätte er die Menschen alle getötet. Und wenn jemand ihn am Leben erhält, so ist es, als hätte er die Menschen alle am Leben erhalten. …
Koran 5:32

Richtig Zuhören

Wer verstehen will, der muss zuhören können.
– Erhard H. Bellermann –

Gutes Zuhören bedeutet sich ganz auf sein Gegenüber einzulassen, mit allen Sinnen dabei zu sein und mit allen Sinnen wahrzunehmen. Nicht nur die gesprochenen Worte zu hören sondern auch „ganz Ohr zu sein“ für die Zwischentöne, die Schwingungen, Veränderungen in der Stimmlage und auch für die ungesagten Worte. Richtiges Zuhören bedeutet auch einmal Stille aushalten zu können, nicht zu unterbrechen oder vorschnell zu antworten – auch nicht in Gedanken.

Wenn Sie wirklich zuhören, dann geschieht dabei ein Wunder. Das Wunder besteht darin, dass Sie ganz bei dem sind, was gesagt wird, und gleichzeitig ihren eigenen Reaktionen lauschen.
– Krishnamurti –

Wenn wir richtig zuhören sind wir ganz bei dem Gesagten, aber gleichzeitig können wir auch in uns hören. Was kann ich dort „hören“, wie reagiere ich auf das Gesagte, welche Töne und Schwingungen kann ich in mir wahrnehmen? So können wir durch das richtige Zuhören nicht nur andere oder eine Sache, sondern auch uns selbst besser verstehen lernen.

Der katholische Umgang mit Sühne und Kritik

Im Grunde ist es nicht nötig, die fortwährend ans Licht kommenden Missbrauchsfälle unter anderem, aber auch gerade in der Katholischen Kirche zu kommentieren, denn an Empörung wurde schon alles geäußert, was einem bei diesen Meldungen in den Sinn kommt.
Doch aller Empörung zum Trotz, scheint die Kirche die Verhältnisse um 180° umdrehen zu wollen und realisiert scheinbar überhaupt nicht, dass sie ihr eigenes Ansehen, ihre eigene moralische Glaubwürdigkeit und Autorität mittlerweile vollkommen untergraben hat und fleißig an ihrem eigenen Grab schaufelt. Die Kirche beherzigt nicht den zentralen Grundwert ihres Glaubens, den sie ihren Schäfchen auf allen Beichtstühlen überall auf der Welt ans Herz legt – Sühne.
Nein, die Kirche sucht keine Sühne. Sie bittet nicht um Entschuldigung und nein, sie zeigt nicht einmal Mitgefühl mit den Opfern, denn ganz offensichtlich sieht sie sich selbst als Opfer, da die Menschen es wagen, an ihrer Fassade zu kratzen, weil sie es wagen, wie es der Kardinal Sodano bei der heutigen Ostermesse auf dem Petersplatz formulierte, mit „unbedeutendem Geschwätz“ das Ansehen des Papstes zu beschädigen. Belohnt wurde diese Aussage, für deren Kommentierung jedem gesunden Menschenverstand die Worte fehlen, mit einer Umarmung des „Heiligen Vaters“. Diese offen zur Schau gestellte Arroganz und Unantastbarkeit des Altherrenvereins, genannt Vatikan, vermag noch viel mehr zu verletzen als der unsinnige Antisemitismusvergleich des Papstpredigers Cantalamessa, denn an Sodanos Aussage wird – im Vergleich zur Aussage Cantalamessas – deutlich, dass man sich nicht einmal in einer Situation sieht, in der man sich in irgendeiner Weise verteidigen muss, und sei es auch nur durch kopflose Vergleiche, um die eigene Schuld zu relativieren. Nein, der Schuldbegriff scheint dem Vatikan fremd zu sein, weshalb Benedikt auf dem Peterplatz für die „moralische Erleuchtung“ der Welt betet, ohne seine pädophilen Schergen in dieses Gebet ganz offen mit einzuschließen.

Vollkommen richtig titelt der aktuelle SPIEGEL „Der Unfehlbare“ und absolut berechtigt wird der irische Kommentator Maurice O’Connell der „Sunday Tribune“ mit folgender Aussage zitiert:

Warum konnte Benedikt nicht in ein Flugzeug steigen und zwölf Opfern die Füße waschen?

Verstehe ich als Außenstehender die Ostergeschichte richtig, dann hat sich – und ist dies nicht auch die Kirchenlehre? – Jesus aus Liebe zu den Menschen selbst erniedrigt, um sie zu versöhnen. Also warum zögert Benedikt? Warum eifert er seinem Vorbild nicht nach?

Als Jude kann es mir egal sein, ob die Katholiken für unsere Erleuchtung beten oder nicht, denn was bedeuten uns schon die Worte des Vatikans und welchen gesellschaftlichen Einfluss hat die Kirche noch in Europa? Doch unser Verstand und das mosaische Gebot der Nächstenliebe fordern uns auf, den Missbrauchsopfern mit Empathie zu begegnen – über die konfessionellen Grenzen hinweg. Als Juden sollten wir uns nicht empören, weil alte Herren im Vatikan meinen, den g’ttlichen Bund mit Israel immer wieder neu zu definieren, doch mit Empörung und Menschlichkeit(nicht weil wir Juden, sondern weil wir einfach Menschen sind) sollten wir auf das allzu große Leid vieler katholischer Kinder reagieren, die einer religiösen Autorität ausgeliefert waren und noch heute darunter leiden.
Zeigen wir Benedikt, dem Vertreter der Religion der Nächstenliebe, was praktizierte Nächstenliebe tatsächlich bedeutet. Ja, stellen wir diesen alten Mann bloß!