In der aktuellen Ausgabe des SPIEGELs ist ein Interview mit dem israelischen Schriftsteller und Anhänger der linken Friedensbewegung David Grossman zu finden. Anfangs war ich zwar äußerst skeptisch, denn die israelische Linke, insbesondere die Friedensbewegung, schießt in meinen Augen oftmals über das Ziel hinaus, drückt sich selbst auch oftmals den Stempel „jüdisch“ auf, ohne in irgendeiner konkreten Beziehung zu jüdischen Werten zu stehen.
Ich war dementsprechend kritisch, zumal DER SPIEGEL nicht gerade voller pro-israelischer Artikel trotzt und wenn deutsche Medien israelische oder jüdische Interviewpartner haben, sind diese meist dem linken politischen Spektrum zuzuordnen, welches an Argumenten kaum etwas vorzuzeigen hat bis auf hochtrabendes Vokabular wie „Besatzung“ etc.
Nun muss ich aber noch anfügen, dass ich im Bücherregal schon seit Jahren ein Buch von David Grossman stehen habe – „Diesen Krieg kann keiner gewinnen“, eine Sammlung von Essays und Zeitungsartikeln, die Grossman verfasst hat und sich mit dem jüdisch-arabischen Konflikt befassen, auch im Hintergrund der Intifada. Die Positionen, die aus diesen gesammelten Artikeln herauszulesen sind, entsprechen nicht wirklich den traditionellen Standpunkten der Friedensbewegung und definieren keine einseitige und ohnehin unsinnige Täterschaft Israels, sondern sie sind den politischen Lagern gegenüber verhältnismäßig neutral und sachlich überzeugend. So fordert Grossman beispielsweise (wie auch im SPIEGEL-Interview) eine Ende der permanenten und undifferenzierten Verurteilung Israels durch das Ausland, richtet sich aber auch an das rechte politische Lager in Israel und zeigt überzeugend auf, dass eine Zwei-Staaten-Lösung auch ganz egoistisch gesehen für Israel unabdingbar ist. (Er bezieht sich dabei auf die demografische Entwicklung der Araber, die irgendwann für eine arabische Mehrheit in Israel sorgen könnte, die damit den jüdischen Staat ad absurdum führt).
Grossmans Positionen sind ehrlich und überzeugend, politisch unvoreingenommen und durchaus visionär, ohne die Realität aus den Augen zu verlieren. Mit der Realität sei zum Einen die schwierige Situation der Palästinenser als auch die ständige Bedrohung der Existenz Israels gemeint.
Im aktuellen SPIEGEL findet Grossman immer wieder passende Worte. Beispielsweise spricht er von dem Mythos Militär, der vor allem junge Menschen anzieht und der ein Kernstück israelischer Identität ist.
Die Zeremonie, den eigenen Sohn zur Einberufung zu begleiten, ist Teil der israelischen Identität: Wegen unserer Situation sind wir von Geburt an darauf geeicht, Krieger zu sein.
Gleichzeitig ist es Grossman aber auch wichtig, zu betonen, in welch einer Situation sich Israel befindet und dass es für Außenstehende schwer ist, den Konflikt objektiv zu beurteilen.
Von außen erscheint Israel wie ein militantes Monstrum. Viele Ausländer verstehen die Verletzbarkeit der Menschen hier nicht, sie verstehen nicht, dass viele von uns nicht daran glauben können, dass es Israel auch in Jahrzehnten noch gibt. Wenn ich lese, dass in Deutschland allein der Bau von Straßen Jahrzehnte im Voraus geplant wird, klingt das völlig normal. Kein vernünftiger Israeli jedoch würde solche langfristigen Pläne machen.
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Ich habe mein ganzes Leben versucht, den Einsatz militärischer Gewalt zu verhindern. Seltsamerweise ist Israel das einzige Land der Welt, das sofort kritisiert wird, wenn es nach jahrelangem Raketenterror auf diese Weise reagiert.
Wenn David Grossman davon spricht, dass man noch nicht reif für den Frieden sei, so meint er nicht nur die Palästinenser, die oftmals nur als ein Volk von Terroristen wahrgenommen werden und er meint auch nicht nur Israel, das vielen wie eine monströse Militärmacht erscheint, sondern er meint beide Seiten, die unfähig sind, aufeinander zuzugehen.
Nun habe ich natürlich selbst konkrete Vorstellungen, wer mehr Schritte zu machen hat, aber das soll nun keine Rolle spielen, sondern ich möchte Grossmans Worte im (virtuellen) Raum stehen lassen, so dass sich jeder vielleicht nochmal etwas genauer mit dem Thema Nahost auseinandersetzt.