Eigentlich habe ich Texte von Henryk M. Broder immer äußerst gern gelesen und eigentlich war ich auch immer bemüht, ihn von dem Vorwurf ein geistiger Brandstifter zu sein, freizusprechen, obgleich ich seinen Thesen zur „Islamisierung“ Europas nie viel abgewinnen konnte.
Nachdem ich nun im SPIEGEL sein Essay „Das grüne Band der Sympathie“ gelesen habe, muss ich mein Urteil über Broder wohl revidieren.
Die Kompetenz eines Intellektuellen, sei er es selbsternannt oder in den Augen anderer verdient, messe ich vor allem an seiner Bereitschaft und Fähigkeit, Dinge zu differenzieren, sich also vom plumpen Schwarz-Weiß-Denken des BILD-Proleten abzugrenzen. Bislang konnte ich auch bei Broder, ohne Zweifel ein kluger und vor allem lustiger Kopf, immer eine klare Unterscheidung zwischen Terroristen und gewöhnlichen Muslimen, politischem Islamismus und Islam finden, auch wenn es in seiner rhetorischen Wucht und Polemik oftmals etwas unterging.
Im besagten Essay jedoch verschwimmen für ihn die Grenzen zwischen Islam und Extremismus völlig. Mehr noch, in einem Nebensatz kanzelt er den entscheidenden Unterschied als nichtig, im Grunde gar nicht existent, ab.
Der Islam, manche sagen lieber: der Islamismus, ist auf dem Vormarsch […]
Henryk M. Broder scheint die Dinge also lieber beim Namen nennen zu wollen und formuliert ganz eindeutig den Islam als Problem und scheint „manch einem“ vorzuwerfen, er wolle mit der Bezeichnung Islamismus das eigentliche Problem, nämlich den (praktizierten) Islam verschweigen.
Ausdrucksform dieses Problems sind folglich also nicht mehr junge, frustrierte Männer, die extremistischen Rattenfängern zum Opfer fallen, nicht mehr terroristische Einzeltäter, sondern ganze Bevölkerungsgruppen, ja, ganze Kulturkreise. Ihre Waffen sind somit auch keine Verfehlungen Einzelner mehr, die im Keller Bomben basteln, sondern ihre bloße Existenz und der Fortbestand ihrer Kultur wird zum feindlichen Angriff erklärt.
Der Islam […] ist auf dem Vormarsch, wobei er sich natürlich anderer Mittel bedient als der Kommunismus. Da ist zum einen die demografische Waffe, die Europas Gesicht jetzt schon stärker verändert hat […]
Mal ganz davon abgesehen, dass man den Angriff auf das Gesicht Europas auch wörtlich(sprich ethnisch) verstehen kann, was die „Islamkritik“ also auch dem gewöhnlichsten Leser zugänglich macht, erhebt Broder einen absurden, ganz und gar sinnfreien Vorwurf gegen Millionen von Menschen, die aus verschiedensten Gründen nach Europa gekommen sind, so wie es auch Broders und meine Vorfahren vor knapp 2000 Jahren aus Asien gen Westen verschlagen hat. Es ist nicht mehr die jüdische Nase vor der sich die Europäer fürchten müssen, sondern die kurdische Hautfarbe, um gleich mal bei Broders Bild von „Europas Gesicht“ zu bleiben.
Es hilft Broder wenig, wenn er sich einige Absätze später als Schutzpatron der Muslime profilieren möchte, die aus freien Stücken auf der Suche nach Wohlstand und Sicherheit nach Europa kamen. Wer nur wenige Zeilen zuvor polternd und gleichmachend um sich schlägt, wirkt als Vader Abraham nicht nur unglaubwürdig, sondern auch lächerlich und verlogen. Ebenso wenig hilft es Broder, dezent auf Islamkritiker mit muslimischen Hintergrund zu verweisen, denn diese fallen vor allem dadurch aus, eine ausgesprochen deutsche bzw. europäische Identität zu pflegen und an ihrer kulturellen Heimat kein gutes Haar zu lassen. Ist das Broders Vorstellung von Integration? Oder anders gefragt: Was möchten Sie Broder? Integration oder Assimilation?
Es ist mehr als bedenklich, Menschen zu unterstützen, die ein „weißes und christliches Europa“(Geert Wilders) fordern, gerade wenn man wie Broder selbst nicht diesem europäischen Selbstbildnis entspricht.
Überhaupt äußert sich Broder nur noch zu diesem einem Thema: Islamismus – oder eben Islam; je nachdem, wie er es gerade nennen möchte. Ob es einen konkreten Anlass gibt oder nicht, spielt keine Rolle und hindert Broder nicht daran(was noch schlimmer ist als seine thematische Einfältigkeit), die immer gleichen Parolen zu predigen: Wir sind alle zu tolerant, verraten unsere eigenen Werte, knicken ein vor der Tyrannei, opfern mit unserem Appeasement dem Gutmenschentum und werden damit zwangsläufig einen zweiten Holocaust zulassen, dem der Einzelne nur entgehen kann, wenn er sich jetzt mit dem Islam gut stellt.
Broder, es langweilt mich.
Guter Artikel…wir haben darauf verlinkt auf der theolounge.de
Naja Broder ist eben Broder 🙂
Provokation will ich seine Art nicht nennen, mehr herausfordernd, konfrontierend und er versucht wachzurütteln (von seiner Sicht aus). Wenn er sagt „manche sagen“ dann sagt er damit eben nicht selber das Islam gleich Islamismus ist (Kunstgriff etwas aus zu sprechen ohne es zu sagen), und die ganze Argumentation deines Artikels bricht leider in sich zusammen.
Bin auch kein Broder Experte und will ihn eigentlich nicht in Schutz nehmen, kann also sein das er wirklich zu weit geht, oder was ich ehr annehme, dass er auf seine Art auf Missstände hinweist. Man überlege wie oft sich Geistliche des Islams vom Islamismus abgrenzen, auch wenn wir Bürger des Westens zwischen Islam und Islamismus unterscheiden tut es die Islamische Welt oft nicht (oder eben anders als wir). Sollte Broder diesen Missstand meinen und somit fordern das wir hier mehr Diskurs und Aufarbeitung brauchen hat er imho Recht.
PS: Man sollte seine Meinung auch niemals von einen einzigen Artikel (Spiegel, Bild,…) abhängig machen.
Es ist leider tatsächlich Broders Art, Dinge auszusprechen, ohne sich wirklich dazu zu bekennen. Das macht ihn natürlich nur schwer angreifbar, passt allerdings auch nicht zu seinem selbstbewussten Auftreten.
Eigentlich, und mit diesem Wort beginnt auch der Artikel, eigentlich mag ich Broder. Viele Sachen, die er in anderen Bereichen bearbeitet, sind genial und mit viel Freude zu lesen.
Beim Islam jedoch versucht Broder wie eine Schlange durch seine Sätze und Spitzfindigkeiten zu gleiten.
Wenn Broder etwas schreibt, soll er sich doch bitte auch dazu bekennen.
Dein Einwand, Muslime könnten sich ja selbst nur schwer abgrenzen, mag schon stimmen, erinnert mich aber ein bisschen an die Debatte über das Minarett-Verbot in der Schweiz, welches man letztendlich nur mit dem Verweis auf muslimische Länder verteidigen konnte, denn dort sei es auch nicht möglich, Kirchtürme zu errichten.
Damit befinden wir uns wieder beim Ausgangspunkt: Etwas sagen, aber nicht dazu stehen. Minarette werden diskutiert, weil man sie nicht unbedingt sehen möchte und nicht etwa, weil man an die Situation der Christen in arabischen Ländern denkt. Und die öffentliche Meinung setzt Muslime mit Islamisten immer wieder gleich, weil man selbst zu bequem ist, irgendwas zu differenzieren oder tiefgründig zu beleuchten und nicht etwa, weil man sich nach muslimischen Stellungnahmen richtet.
Henryk Broder schreibt nicht „Islamisten machen dies und das“, sondern Broder schreibt „Muslime machen dies und das“. Er schreibt auch nicht „Das Problem liegt im politischen Extremismus“, sondern er sagt immer wieder ganz klar „Der Islam ist das Problem.“. Darauf angesprochen entgegnet er stets „Ja, der Islam ist das Problem, aber gegen die Muslime habe ich nichts.“
Muss das noch kommentiert werden?
„Minarette werden diskutiert, weil man sie nicht unbedingt sehen möchte und nicht etwa, weil man an die Situation der Christen in arabischen Ländern denkt.“
Super.
„“Ja, der Islam ist das Problem, aber gegen die Muslime habe ich nichts.”“
Erübrigt sich. 🙂